Die neuen Typologien gehören zur Erfahrungspsychologie

von Dr. Silke Barra

…. In jeder Psychologie der Zukunft wird das Kapitel, das den psychologischen Typen gewidmet ist, immer wichtige werden. Zwischen Individuum und der Spezies steht der Typ. Der Plan der Persönlichkeit ist weder eine standardisierte Wiederholung einer uniformen Einheit noch ein zufälliges Gemisch oder Mosaik; seine Anlage ist von einer begrenzten Reihe von Gruppierungen durchzogen…“ J. Jastrov

Im Rahmen meiner Recherche zu den Typologien sah ich, wie wichtig die Inhalte der Erfahrungspsychologie sein können. In der Geschichte der Psychologie wie auch in der Wissenschaft hat die Untersuchung der Wahrnehmung die Empfindung als akzeptierten Wahrnehmungsmodus über die Intuition gestellt. Was heißt das: Eine Empfindung lässt sich wahrnehmen und rational dokumentieren, intuitives Verhalten stattdessen ist eine „Wundertüte“, nicht auszurechnen, was passiert. Schon früh versuchten Wahrnehmungspsychologen, Wahrnehmung auf einer sinnlich wahrgenommenen Realität zu begründen, weil die Eigenschaften der Empfindung zumindest oberflächlich, leichter zu quantifizieren waren.

Der Unterschied zwischen Empfindung und Intuition als Wahrnehmungsprozesse in der Typologie mag darin liegen, dass Empfindungstypen äußere Reize oder die Umgebung konkreter zu benutzen scheinen als Intuitive. Vielleicht verhält sich das analog zu der Art, wie Extravertierte von der Außenwelt stimuliert werden und Introvertierte Reize benutzen, die aus ihrer weniger offenkundigen Innenwelt kommen. So wie unsere Kultur automatisch Empfindung eher bestätigt als Intuition, bestätigt sie auch Extraversion eher als Introversion. Auch hier sind 70 Prozent der Menschen extravertiert und 30 Prozent introvertiert.

 Die Elemente der Typologie sind zwar in einigermaßen hierarchischer Ordnung dargestellt, doch im wirklichen Leben geht es nicht so klar zu. Unter allen Typen gibt es Individuen, denen es nicht gelungen ist, irgendeinen Aspekt ihrer typologischen Ausstattung zu entwickeln oder zu differenzieren. Dies sind oft minder funktionierende Individuen, die wahrscheinlich keine adäquate Anpassung an andere oder an die Welt vorgenommen haben. Dann gibt es die anderen, die mit viel innerer psychologischer und emotionaler Arbeit die meisten ihrer psychologischen Funktionen erfolgreich entwickelt haben. Indem sie das Potential der meisten ihrer Funktionen maximiert haben, ist es diesen Typen gelungen, ein gesundes, produktives Leben zu führen. C.G. Jung bezeichnete diesen Prozess als Individuation. Ziel der Individuation ist nicht nur die eigene größtmögliche Entwicklung, sondern auch alles zu werden, was unsere einzigartige Individualität zu bieten hat.

Geschlechterrolle in der Erfahrungspsychologie

Das Vorkommen von Typen ist speziell bei Männern nicht gleichmäßig verteilt. Anders ist es bei der Population von Frauen. So benutzen ca. 60% der Männer die Denkfunktion, während mehr als 65% der Frauen die Fühlfunktion anwenden – das gilt noch heute. Die Denken-Fühlen-Polarität ist ein wesentlicher und wichtiger Unterschied zwischen Männern und Frauen aus typologischer Sicht. Der Vergleich zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Typenverteilung zeigt, dass es in der Typologie eine starke entweder genetische oder geschlechtsbedingte Voreingenommenheit gibt. Das heißt, weit mehr als

60 % der Männer haben das Denken als starke Komponente in ihrem Typ, während weit über 60% der Frauen das Fühlen als starke Komponente ihres Typs aufweisen.

Kommunikationsstile von Männern und Frauen

 Die typologische Präferenz des Denkens bei Männern ist das fundamentalste Merkmal, das sozialen und psychologischen Definitionen konventionellen Definitionen von Männlichkeit zugrunde liegt. Diese Präferenz hat weitreichende Konsequenzen für das Verhalten, die Kommunikationsstile und die Beziehungen von Männern. Ähnlich ist die Funktion des Fühlens bei Frauen das Hauptmerkmal in konventionellen Definitionen von Weiblichkeit.

„Bei den Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Männern und Frauen sind verschiedenen Typen, aber auch bei Interaktionen von gleichgeschlechtlichen Personen verschiedenen Typs verantwortlich“ (C.G. Jung). Das heißt: Unabhängig vom Geschlecht und den Präferenzen von Denken und Fühlen entstehen die Spannungen in der Kommunikation, die jedoch den jeweiligen Typologie zu Grunde gelegt werden können. Diese Erkenntnis lässt sich jederzeit belegen, wenn klar zu sein scheint, welche Typologien dominant sind. In meinem -fast fertigen – Buch finden Sie die Lösung: Warum können Karierte nicht mit Gemusterten und warum haben Gestreifte nur ein müdes Lächeln für Gepunktete.

In meinem nächsten Beitrag können Sie mit dem Kurztest „Wer bin ich und warum?“ dann selbst erfahren.

Studienthema Charakterhafen

von Dr. Silke Barra

Typologien – Ein sich ständig änderndes Muster

Typologien gab es seit es Menschen gibt, aber erst im vergangenen Jahrhundert wurde es zur Wissenschaft gekürt. Seitdem hat sich sehr viel geändert. Nur zwei Fakten – die für die heutige Zeit an Relevanz gewonnen haben – anzusprechen, die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft und das Internet mit der ständigen Erreichbarkeit, haben die Kommunikation grundlegend geändert.

Wenn Pünktchen mit Karo über Streifen spricht, während sie sich gegenseitig mustern.

Heutzutage sind die Urtypologien wie die Zwanghaften, die Menschenfreunde, die Unabhängigen und die Impulsiven immer noch zu finden, doch inzwischen sind die Grenzen zueinander fast verwischt. Einige Hauptmerkmale sind jedoch unverkennbar und deshalb zeitlos. Während der Neuorientierung der Typologien schienen mir die alten Namen dieser Klassifikationen nicht mehr zeitgemäß bzw. widersprüchlich, d.h. negativ belegt.

Doch irgendwann kam die rettende Idee: Muster! Da ich mich schon lange mit Mustern beschäftige, ob es sich nun beim Stricken oder beim Erkennen von Verhaltensmustern im psychologischen Bereich handelt, diese Differenzierungsmöglichkeit ist mir schon lange geläufig und schien mir angemessen. Dadurch hatte ich auch keine Schwierigkeiten bei der Zuordnung meiner neuen Klassifikation in die vier Typen: Kariert, Gestreift, Gepunktet und Gemustert.

Die vier Basistypen

Die Typologie der Karierten beinhalten die Ordentlichen, die Planbaren, die Eigensinnigen oder die Pedantischen.

Die Typologie der Gestreiften beinhalten die Unabhängigen, die Ich-Betonten, die Bindungsscheuen oder die Außenseiter.

Die Typologie der Gepunkteten beinhalten die Einfühlsamen, die Hilfsbereiten, die Unselbstständigen oder die Konfliktscheuenden.

Die Typologie der Gemusterten beinhalten die Impulsiven, die Risikofreudigen, die Geltungssüchtigen oder die Kontaktsüchtigen.

Chancen und Grenzen einer Typologie

Die meisten Persönlichkeitsschemen sind funktional ausgerichtet. Sie wollen den Menschen nicht ändern, sondern die Zusammenarbeit von Menschen in einer bestimmten Situation optimieren. Erst in zweiter Linie können sie dabei helfen, dass der Einzelne sich selbst erkennt, seine Stärken ausbaut und mögliche Schwächen bekämpft.

Nützliche Erkenntnisse

Ich brauche mich nicht zu verbiegen. Wenn ich von meiner Grundstruktur eher introvertiert bin, würde ich mich dauerhaft unglücklich machen, wenn ich von einem Leben als Showstar zu träumen wage.

Es gibt Menschen, deren Erfahrung und Einschätzung für mich nicht so relevant sind, wie sie mir gerne weismachen wollen, weil sie ein ganz anderer Typ sind als ich.

Meine Probleme habe ich nicht alleine. Es gibt viele ähnliche Menschen wie ich, die mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Weil ich um die Andersartigkeit jedes Einzelnen weiß, kann ich andere Menschen besser verstehen und gezielter auf sie eingehen.

Fazit: Typologien sind optimale Werkzeuge, um sich und andere besser zu verstehen.